Cannonball-Rennen
Cannonball, im engeren Sinne die englische Bezeichnung
für eine
Kanonenkugel, ist als Cannonball-Rennen auch ein
Synonym für
illegale Autorennen quer durch die
USA von
New York nach
Los Angeles. Diese wurden in den 1970er-Jahren vom
US-Magazin Car&Driver durchgeführt und später durch
mehrere
Hollywood-Filme einer breiteren Öffentlichkeit
bekannt.
Das Vorbild
Im Jahre
1914 machte in den USA ein Motorradfahrer namens Erwin George
Baker Schlagzeilen, indem er das Land von Küste zu Küste in elf
Tagen durchquerte und danach über „Wege wie frisch gepflügte
Äcker“ berichtete. Im Zuge des aufkommenden Massenverkehrs
wurden viele Straßen gebaut, und auch der Ruf nach einer
durchgehenden Verbindung an die Westküste wurde laut, die durch
die Gebirgskette der
Rocky Mountains und durch Wüsten vom Rest des Landes
getrennt war. Die Fortschritte in Technik und Straßenbau wurden
auch durch über 100 Werbe- und Rekordfahrten von Baker
dokumentiert, der u. a. gegen Schnellzüge antrat und alsbald
unter dem Namen Cannonball bekannt war.
Daneben nahm Baker auch an regulären Rennen teil, wie etwa 1922
am
Indianapolis 500. Zudem war er einer der Gründer der
Tourenwagen-Rennserie
NASCAR.
Die
wichtige Ost-West-Verbindung nach
Los Angeles wurde dann im Jahre 1926 als
Route 66 ausgewiesen. Im Jahre 1933 fuhr Erwin „Cannonball“
Baker u. a. auf dieser neuen Straße mit einem „Graham-Paige“
von New York nach Los Angeles in der Zeit von 53 Stunden, d. h.
mit einem Schnitt von fast 100 km/h, obwohl die Strecke damals
noch durch Ortschaften führte und nicht durchgehend asphaltiert
war. Dieser „Rekord“ hatte ca. vier Jahrzehnte Bestand.
Die „Rennen“
Anfang der
1970er Jahre war das Autobahnsystem der USA, die
Interstate Highways, schon gut ausgebaut. Mit Einführung des
Tempolimits von 55 mph bzw. 88 km/h wurde die
Höchstgeschwindigkeit auf diesen Schnellstraßen auf einen
niedrigeren Wert begrenzt, als Baker vor dem Krieg als
mehrtägige Durchschnittsgeschwindigkeit unter wesentlich
schlechteren Bedingungen erreichte.
Brock Yates, ein Redakteur des Auto-Magazins Car&Driver, war
zusammen mit seinem Sohn sowie den Mitarbeitern Steve Smith und
Jim Williams schon im Mai 1971 in 40 Stunden und 51 Minuten mit
einem
Dodge Sportsman Van quer durch das Land gefahren. Aus dem
Magazin-Artikel darüber entwickelte sich die Idee, den Trip
zusammen mit bzw. gegen diverse Bekannte zu wiederholen, als
eine Mischung aus Freude am Autofahren und zivilem Ungehorsam
gegen das Tempolimit.
Inspiriert
durch Bakers frühere Fahrten und der Textzeile „von Küste zu
schimmernder Küste“ aus der Hymne
America the Beautiful starteten am 15. November 1971 kurz
nach Mitternacht acht Fahrzeuge in New York zum ersten
Cannonball Baker Sea-To-Shining-Sea Memorial Trophy Dash.
Das
polnisch-stämmige Rennfahrer-Trio
Koveleski/Adamowicz/Niemcek beanspruchte dabei die Pole Position
für ihren mit 1128 Liter Sprit in Benzinfässern beladenen, 3,5
Tonnen schweren sowie mit Spezialreifen und einer Einrichtung
zur Motorölnachfüllung während der Fahrt ausgerüsteten
Chevrolet Sportvan. Weitere Fahrzeuge waren ein nagelneuer
Cadillac DeVille, ein britischer
MGB GT, ein 1969er
AMX, zwei weitere Lieferwagen und sogar ein
Travco-Wohnmobil. Als Favorit galt jedoch der
Ferrari 365 GTB/4 Daytona mit Brock Yates und dem
Ex-Formel-1-Rennfahrer
Dan Gurney am Steuer. Der neue Cadillac kam nur zufällig zur
Teilnahme – die drei am Rennen interessierten Amateure aus
Cambridge (Massachusetts) verfügten über kein geeignetes
Fahrzeug und übernahmen den Auftrag eines Geschäftsmanns, das
neue Auto von New York nach Los Angeles zu überführen. Der
Auftrag lautete: nur tagsüber zu fahren und keinesfalls
schneller als 120 km/h.
„Getunt“ wurde das Fahrzeug mit einem am Rückspiegel
befestigten
Radarwarner.
Durch den
nächtlichen Start konnten die Teilnehmer dem Berufsverkehr an
der Ostküste entgehen und andererseits tagsüber in Los Angeles
eintreffen. Als Erster kam nach 4.628 km und 35 Stunden und 54
Minuten tatsächlich der Ferrari an. Der Schnitt, auch ohne die
Pausen von insgesamt einer guten Stunde, entsprach dabei der
deutschen Autobahn-Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Zudem
hatte der 12-Zylinder-Ferrari den geringsten Verbrauch mit 19
Litern pro 100 km. Das polnische Rennfahrertrio, dem
letztendlich 220 Liter Sprit fehlten und das einmal nachtanken
musste (sieben Minuten Zeitverlust), brauchte 53 Minuten mehr.
Noch neun Minuten mehr brauchte der Cadillac. Er fuhr zwar mit
136 km/h schneller und wurde somit der Geschwindigkeitssieger,
stand aber aufgrund des höheren Verbrauchs auch fünfzehnmal an
Tankstellen und hatte damit sechs Tankstops mehr als der
Ferrari. Zu seinem Zeitverlust durch Stops von über drei Stunden
dürften aber eher die fünf „Probleme“ mit der Polizei (gegenüber
dem einen der Sieger und keinem der Polen) beigetragen haben.
Auch fünf
andere Teams schafften es unter 40 Stunden. Nur der britische MG
erlitt nach etwa 1000 km einen Defekt, während das Wohnmobil
über zwei Tage benötigte und zudem mit verschütteter Lasagne
auch den einzigen „Unfall“ zu verzeichnen hatte.
Der
zugehörige, humorvolle Bericht wurde erst Monate später im März
1972 veröffentlicht.
Das
„Rennen“ wurde ein Jahr später wiederholt, sowie nach der
Ölkrise von 1973 nochmal im April der Jahre 1975 und 1979
durchgeführt. Als „ewiger Rekord“ galten, nicht zuletzt dank
inzwischen geschlossener Autobahnlücken, letztendlich die 32
Stunden und 51 Minuten, die ein
Jaguar XJS mit einem Schnitt von 140 km/h 1979 unterwegs
war. Dieser Rekord wurde aber schon 1983 mit einem
Ferrari 308 auf 32 Stunden und 7 Minuten verbessert, wird
aber in vielen Quellen nicht aufgeführt, weil er beim US Express
Run aufgestellt wurde.
Der „ewige
Rekord“ wurde im Oktober 2006 dann doch noch geknackt. Alex Roy
und sein Copilot Dave Maher schafften die Strecke mit einem
BMW M5 in 31 Stunden und 4 Minuten. Das entspricht einem
Schnitt von ca. 145 km/h.
2013 wurde
von Ed Bolian zusammen mit seinen Beifahrern David Black und Dan
Huang in einem
Mercedes CL 55 AMG die Bestzeit von 28 Stunden und 50
Minuten aufgestellt.
2019 wurde
der Rekord mit 27 Stunden und 25 Minuten auf einem umgebauten
Mercedes-AMG E 63 (Baujahr 2015) gebrochen. Die Crew bestand
aus Fahrer Arne Toman, Beifahrer und Co-Pilot Doug Tabbutt sowie
der Navigator und Spotter Berkeley Chadwick.
Die
Situation der durch die Corona-Krise substantiell leereren
Straßen in den USA löste eine Serie von Versuchen aus, den
Rekord erneut zu brechen. Am 4. April 2020 gelang dies auf einem
Audi A8 L mit bislang unbekannten Fahrern und einer Fahrzeit von
26 Stunden und 38 Minuten.
Im August
2020 wurde bekannt, dass das Team aus den vorigen Rekordhaltern
Toman und Tabbutt, dieses Mal mit Dunadel Daryoush als Spotter,
auch diese Zeit erneut unterboten hatten: In einem Audi S6
erreichten sie das Ziel nach 25 Stunden und 39 Minuten,
die Fahrt selbst hatte allerdings schon im Mai 2020
stattgefunden. Das Fahrzeug war mit Klebefolien modifiziert
worden, um einem
Ford Taurus Police Interceptor ähnlich zu sehen, außerdem
wurde im Kofferraum ein Zusatztank installiert.
Die Filme
Spätestens
durch einen Bericht im
Time-Magazin
wurde Cannonball bei einer breiten amerikanischen Öffentlichkeit
zum umstrittenen Begriff. Später kam eine Serie von Filmen dazu,
unter anderem:
-
Die verrückteste Rallye der Welt (The Gumball Rally;
1976),
mit
Raúl Juliá,
Gary Busey u. a.
-
Cannonball (Cannonball; 1976),
mit
David Carradine u. a.
-
Auf dem Highway ist die Hölle los (The Cannonball Run;
1981),
mit
Burt Reynolds,
Dean Martin,
Sammy Davis jr.,
Roger Moore,
Jackie Chan,
Peter Fonda,
Farrah Fawcett u. a.
-
Auf dem Highway ist wieder die Hölle los (Cannonball Run
II; 1984),
mit
Burt Reynolds,
Dean Martin,
Sammy Davis jr.,
Shirley MacLaine,
Telly Savalas u. a.
-
Cannonball Fieber – Auf dem Highway geht’s erst richtig los
(Speed Zone!; 1989),
mit
John Candy,
Brooke Shields u. a.
Siehe auch
Weblinks
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